An interview with Lisa Rüth, the GLD’s Distinguished Speaker at ATA63

Themen angehen, für die man brennt

Lisa Rüth im Gespräch mit Petra Rieker

Lisa Rüth beschäftigt sich schon seit über 15 Jahren mit der englischen und spanischen Sprache. Spezialisiert hat sich Lisa Rüth auf Übersetzungen aus dem Finanzbereich. Seit 2012 ist sie Finanzübersetzerin bei der Ralf Lemster Financial Translations GmbH mit Sitz in Frankfurt, seit 2018 geschäftsführende Gesellschafterin. In diesem Jahr wird sie gleich mit zwei Sessions auf der ATA63 in Los Angeles präsent sein.

GLD: Deine Karriere als Übersetzerin ist nur zum Teil klassisch verlaufen. Du hast einen sehr interessanten Einstieg in die Welt der Sprachen gewählt. Stichwort: Puerto Vallarta, Mexico. Welche Erinnerungen sind dir aus dieser Zeit geblieben?

Lisa Rüth: Nur die besten! Ich kam als 18-Jährige nach Puerto Vallarta, um mein Spanisch aufzubessern, und bin dann – wie es in diesem Alter leicht passieren kann – für drei Jahre hängengeblieben. Dabei habe ich nicht nur mein Spanisch aufgebessert, sondern im Kontakt mit vielen Touristen aus den USA und Kanada auch gleich mein Englisch. Sowohl für meine Sprachkenntnisse als auch für meine persönliche Entwicklung waren diese Jahre sehr prägend. Die Lernkurve war auf allen Ebenen sehr steil und ich zehre heute noch davon.

GLD: Nach deinem Masterstudiengang an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz bist du 2012 als Partnerin und Financial Translator bei Ralf Lemster Financial Translations eingestiegen. Wo liegen deine Schwerpunkte? Wer sind deine Kunden?

Lisa Rüth: Eingestiegen bin ich eigentlich als Praktikantin. Ich wurde dann schnell als Finanzübersetzerin fest angestellt und bin seit 2018 geschäftsführende Gesellschafterin. Wir gelten als Spezialisten für den Finanzmarkt und dementsprechend handelt es sich bei unseren Kunden auch in erster Linie um Banken, Vermögensverwalter, Fondsboutiquen, Research-Häuser und Behörden. Ich persönlich bin dabei zum einen die Fachfrau für alles, besonders wenn es auf guten Stil ankommt, zum anderen für alles, was mit dem Thema nachhaltige Geldanlage zu tun hat.

GLD: Neben den täglichen Herausforderungen bei Ralf Lemster Financial Translations nimmst du noch eine ganze Menge anderer Aufgaben war.

Lisa Rüth: Stimmt, es wird mir nicht langweilig. Wir bieten auch Seminare für Banker an, in denen es um die Fachsprache der Regulatorik geht, die das europäische Bankensystem in den vergangenen Jahren ganz schön umgetrieben hat. Außerdem bin ich regelmäßig als Referentin auf Konferenzen und Tagesseminaren für Übersetzer im Einsatz. Dabei kann es dann entweder um die fachliche Spezialisierung oder den sprachlichen Feinschliff gehen.

GLD: Du nimmst in diesem Jahr zum ersten Mal an einer ATA-Konferenz teil und das sogar in einer Doppelrolle. Zum einen wirst du auf der ATA63 präsentieren, zum anderen selbst Teilnehmerin sein. Was hat dich motiviert, es in diesem Jahr anzugehen und was sind deine Erwartungen?

Lisa Rüth: Die German Language Division hatte mich bereits für die ATA62 eingeladen, doch aufgrund der im letzten Jahr noch geltenden strengen Einreisebestimmungen für Europäer war es mir nicht möglich, dabei zu sein. Umso mehr freue ich mich jetzt! Als Referentin werde ich mich Themen widmen, für die ich wirklich brenne, und ich hoffe, dass der Funke auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer überspringt. Und natürlich freue ich mich auf viele interessante Vorträge, Workshops und tolle Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen.

GLD: Du wirst mit zwei Sessions auf der ATA63 präsent sein. Mit Session (037) The Language of Diversity behandelst du ein hochaktuelles Thema, das in der Fachpresse immer noch kontrovers diskutiert wird. Worauf wirst du den Schwerpunkt bei dieser Session legen?

Lisa Rüth: Bei Diversität kommt einem natürlich gleich das Thema Gendern in den Sinn. Egal, wie ich persönlich dazu stehe: Als Übersetzerin bin ich ein Profi, der seine Kunden sachlich und fachlich fundiert über das Thema informieren und Lösungen anbieten können muss. Diversität ist aber mehr als Gendern. Ein weiterer Schwerpunkt wird deshalb das sein, was im Englischen „racial diversity“ genannt wird. Im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung ist einmal der Brief eines US-amerikanischen CEO auf meinem Tisch gelandet, in dem immer wieder der Begriff „race“ verwendet wurde. Eine wörtliche Übersetzung war undenkbar. Noch nie habe ich bei einer Übersetzung so geschwitzt… Auch das wird also ein Thema sein.

GLD: Englisch und Deutsch sind genetisch relativ eng verwandt. Allerdings hat sich Englisch, bedingt durch eine Reihe ganz unterschiedlicher Faktoren sprachstrukturell stark vom Deutschen wegbewegt. Auf welche Besonderheiten wirst du in deiner Session (077) Unlocking the Power of Syntax in German eingehen?

Lisa Rüth: Beim Thema Grammatik allgemein wird ja gern mal mit den Augen gerollt. Ich halte es aber für ungemein wichtig. Das Englische lässt uns kaum Spielraum, aber der deutsche Satzbau ist wahnsinnig flexibel und lässt viel mit sich machen. Das heißt aber nicht, dass es egal ist, wo ich ein Element im Satz platziere. Nehmen wir mal das Buch der Bücher: „Am Anfang war das Wort“ ist nicht das Gleiche wie „Das Wort war am Anfang“. Rhythmus, Ton, Stil, Wirkung sind eine ganz andere. Darum wird es gehen.

GLD: Beide Themen hören sich hoch interessant an. Da steckt viel Arbeit dahinter. Wenn dir die Arbeit dann noch Zeit lässt, was machst du, damit deine Work-Life-Balance nicht aus den Fugen gerät?

Lisa Rüth: Ich liebe Sprachen und beschäftige mich auch in meiner Freizeit gern damit. Seit ein paar Jahren lerne ich Türkisch und das ist wahrscheinlich auch mein größtes Hobby. Außerdem meditiere ich gern und tanze Tango – wenn ich ganz im Moment bin, entweder allein mit dem Atem oder zu zweit mit dem Tanzpartner, dann spricht nur noch die Seele.

GLD: Viel Spaß und Erfolg auf der ATA63 und vielen Dank für das Gespräch.